Auf das Wie kommt es an
Die Lebenserwartung
steigt. Eine gute Eine gute Nachricht? Oder müssen wir uns vor dem Alter
fürchten? Fragen, die eng mit unserer Gesundheit sowie geistigen und
körperlichen Leistungsfähigkeit verknüpft sind.
Sein Markenzeichen ist ein
gelber Turban und ein langer grauer Bart. Die Rede ist von Fauja Singh, der im
Jahr 2013 seinen letzten Zehn-Kilometer-Marathon in Hong Kong gelaufen ist.
Obwohl er mit einer Zeit von einer Stunde, 32 Minuten und 28 Sekunden weit vom
Siegertreppchen entfernt war, wurde er beim Einlauf lautstark bejubelt. Der
Grund? Der Inder war zu diesem Zeitpunkt knapp 102 Jahre alt. Auch heute, im
stolzen Alter von 106 lässt er die Turnschuhe nicht im Schrank stehen.
Zugegeben: Der betagte Läufer ist eine Ausnahmeerscheinung. Aber längst nicht
der einzige Mensch, der für Schlagzeilen sorgt und der Welt beweist, dass man
trotz fortgeschrittenen Alters noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Wie
etwa die rüstige Georgina Harwood, die im südafrikanischen Kapstadt mit einem
Fallschirm ausgerüstet aus einem Flugzeug in die Tiefe sprang – mit 100 Jahren.
Gut, vielleicht hat nicht jeder Mensch derart sportliche Ambitionen. Doch auch
im hohen Alter möglichst mobil und gesund sein – wollen wir das nicht alle?
Biologisches versus
gefühltes Alter
Zumindest die Weichen in
Richtung «hohes Alter» sind gestellt, wie ein Blick auf die durchschnittliche
Lebenserwartung zeigt. Vor rund 100 Jahren lag sie bei 46 Jahren. Heute – laut
Bundesamt für Statistik – bei Frauen bei 85,2 Jahren und bei Männern bei 81
Jahren. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie im Jahr 2050 bei rund 90
Jahren liegen könnte. Eine weitere Veränderung ist der Wandel des Begriffes
«alt». Heutzutage ist dieses Adjektiv negativ besetzt, keiner möchte als alt
bezeichnet werden. Es steht bei vielen Menschen in Zusammenhang mit
Gebrechlichkeit und typischen Alterskrankheiten wie Arthrose, Inkontinenz,
Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen sowie einem eingeschränkten Hör- und
Sehvermögen. Nicht ohne Grund wurden neue Begrifflichkeiten generiert, wie
«Best Ager», «60plus-Generation» oder «Generation Gold». Das entspricht auch
mehr dem tatsächlichen Lebensgefühl à la «50 ist das neue 40» oder «70 das neue
60». Wie die Studie «Digital Ageing: Unterwegs in eine alterslose Gesellschaft»
des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) zutage brachte, fühlen sich 60- bis
70-Jährige heutzutage im Durchschnitt zwölf Jahre jünger als ihr biologisches
Alter. Mit 50 noch mal studieren, mit 60 ein neues Hobby anfangen oder mit 70
die Welt bereisen – warum nicht? Letztendlich kommt es nicht darauf an, wie alt
wir werden, sondern wie wir alt werden.
Den Blick jetzt auf später
richten
Halten wir Körper und
Geist fit? Kümmern wir uns um unsere Gesundheit, indem wir bei Beschwerden zum
Arzt gehen und Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen? Achten wir auf einen gesunden
Lebensstil und verzichten zum Beispiel aufs Rauchen und übermässigen
Alkoholkonsum? Wir sind dem Älterwerden nicht völlig hilflos ausgeliefert und
haben es in der Hand, die zusätzlichen Lebensjahre mit möglichst hoher
Lebensqualität zu geniessen. Ob umfassende medizinische Versorgung, ein
optimiertes Versorgungsmanagement auf Seiten der Versicherer, moderne
Pflegkonzepte oder gar intelligente Haustechnik, die Stürze vorausahnt – es
wird bereits viel getan, um das Bedürfnis nach einem möglichst langen, gesunden
und selbstbestimmten Leben zu befriedigen. Dies ist angesichts der
demografischen Entwicklung auch nötig – auch wenn viele altersbedingte
Krankheiten sich dank medizinischen Fortschritten besser in den Begriff
bekommen lassen als in der Vergangenheit. «Nahezu ein Viertel aller 70- bis
85-Jährigen leidet an fünf oder mehr Krankheiten gleichzeitig», heisst es im
«Weltbericht über Altwerden und Gesundheit» der Weltgesundheitsorganisation
(WHO). Wie kann ein leistungsfähiges Versorgungssystem für immer mehr chronisch
kranke Menschen organisiert werden, wenn gleichzeitig durch den demografischen
Wandel weniger Geld zur Verfügung steht? Wie kann die Gesundheitsvorsorge im
Alter verbessert werden, um Spitalaufenthalte möglichst zu vermeiden? Wie
begegnet man dem aktuell herrschenden Mangel an Pflegfachkräften?
Das sind nur einige
Fragen, mit denen sich auch die Schweiz auseinandersetzen muss. Fragen, auf die
die Politik und andere relevante Akteure im Gesundheitswesen Antworten finden
müssen.